Donnerstag, 9. Januar 2014

... T-Shirt made in Bangladesch

Von Nunu drauf aufmerksam gemacht worden, hier ein sehr guter Artikel, der es sehr gut auf den Punkt bringt: als link 
http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/1514215/TShirt-made-in-Bangladesch_Moral-ist-nicht-eingepreist

und insgesamt: 


„T-Shirt, made in Bangladesch“: Moral ist nicht eingepreist

Kritisieren, und trotzdem kaufen. Erklärungsversuch einer Doppelmoral.
  (Die Presse)
Erinnert sich noch jemand? Im Mai 2013 stürzte in Bangladesch eine Textilfabrik ein. Über 1000 Menschen starben. Die Bilder lösten Entsetzen aus, die Empörung war groß. Medien, Wirtschaft und Politik geißelten die katastrophalen Arbeitsbedingungen: Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen und die Arbeitsplatzverhältnisse verbessert werden, war der einhellige Tenor. Große Modeketten wie H&M, Benetton und Zara, die in Bangladesch und anderen Billiglohnländern in großem Stil produzieren, wurden an den Pranger gestellt.
Ein Jahr später ist man wieder am Ausgangspunkt angelangt. Vom moralischen Furor ist wenig geblieben, das Geschäft geht munter weiter. Die Leute kaufen eifrig bei den gebrandmarkten Kaufhausketten ein, das Etikett mit der Aufschrift „Made in Bangladesch“ wird ignoriert. Was zählt, ist der Preis.
Das T-Shirt ist kein Gebrauchsgegenstand mehr, den man über einen längeren Zeitraum trägt, sondern ein Einwegprodukt, das man einmal anzieht und dann in den Müll wirft. Wir gehen verschwenderisch mit Ressourcen um.
Die modernen Sklaven in der Dritten Welt, die oft nicht mehr als einen US-Dollar am Tag verdienen und in erbärmlichen Behausungen leben, müssen für den Überflusskonsum in den Industrienationen schuften. Die Frage ist: Wie lange können wir uns diesen Lebensstil noch leisten? Wie viele Fabriken müssen noch einstürzen, ehe ein Umdenken einsetzt?

Komplizen der Textilindustrie

Die Gutmenschen im Westen, die gern Menschenrechte einfordern und sich in Krisengebieten zum moralischen Scharfrichter aufschwingen, werden zu Komplizen der Textilindustrie. Eine Doppelmoral und üble Heuchelei: Wir zeigen mit dem Finger auf böse Modeketten und Ausbeuter, kaufen aber ihre Produkte – und unterstützen damit dieses Treiben. Wir finden es irgendwie „cool“, ein iPhone in den Händen zu halten, das eine glatte Oberfläche hat, sich perfekt an den Nutzer anschmiegt, wollen aber nicht einsehen, dass an den seltenen Erden oftmals Blut klebt. Wir sehen das Produkt, aber nicht die Leute, die es produzieren.

Fair Trade ist nur eine Nische

Auf modisch gefärbten Jeans erkennt man keine Schweißperlen. Und man sieht auch nicht die verklebten Lungen chinesischer Arbeiter, die Jeanshosen mit einem Giftcocktail aus Chemikalien bearbeiten, damit diese den gewünschten Vintage-Look bekommen.
Natürlich empfinden wir es als himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn wir in den Abendnachrichten die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sehen. Trotzdem gehen wir am nächsten Tag ins Modegeschäft, eben weil es billig ist. Der Homo oeconomicus wägt zwischen Preis und Konsumwert ab. Die Moral ist nicht eingepreist.
Es gibt die Kritiker von Attac und Greenpeace an diesem Geschäftsgebaren. Doch Nichtregierungsorganisationen können dem System nur schwerlich etwas entgegensetzen. Fair Trade ist nur eine Nische. Die Macht der Verbraucher ist die Ohnmacht der Arbeiter.
Ist der mediale Scheinwerfer weg, gerät die Misere in Vergessenheit. Die moderne Konsumgesellschaft ist nicht nur eine Wegwerfgesellschaft, sondern auch eine Wegschaugesellschaft. Wir sehen verschämt weg oder setzen Betroffenheitsminen auf, wenn wir mit der Armut konfrontiert werden.
Wir ergehen uns in Empörungsexerzitien, fordern vehement ein Ende der Ausbeutung, mehr Gerechtigkeit und Fairness. Doch mit unserem Kaufverhalten konterkarieren wir eben unsere wohlfeilen Intentionen. Wir werden die Welt nicht retten. Aber wir sollten unsere hehren Motive nicht an der Kaufhauskasse vergessen.
Adrian Lobe (geb. 1988) studierte Politik- und Rechtswissenschaft in Tübingen und arbeitet als freier Journalist für diverse Medien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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